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Sollen Künstler die Foto-Auswahl bestimmen können? Angriff auf Pressefreiheit?

Cecilia Bartoli ist eine Sängerin von Weltruf und mit vielen Anhängern. Neulich gastierte sie in Hamburg. Eine Aktion des Hamburger Abendblattes hat eine heftige Leser-Diskussion ausgelöst, auf allen Kanälen. Darum geht es: Wie viel Einfluss dürfen Künstler auf die Berichterstattung über sie nehmen? Ist es hinnehmbar, dass sie bestimmen, welches Foto von ihnen gedruckt wird? Das Abendblatt hat eine Debatte angestoßen.

Der konkrete Vorgang, Fall: Weil Cecilia Bartolis Management Fotos vorher zur Auswahl sehen wollte bzw. die nicht genehmen gelöscht haben wollte, gab es für die Diva diesmal eben im Hamburger Abendblatt kein Foto. Stattdessen haben wir eine weiße Fläche geziegt. Aber: Natürlich haben wir eine große Kritik gebracht. Viele Leser fanden die Aktion angemessen, nur wenig kritisierten das. Auch bei uns in der Redaktion wurde hitzig diskutiert.

Den Fall schickte ich meinen Kolleginnen und Kollegen, einmal rund um die Erde, lesen Sie unten, was die anderen Ombudsmänner sagen, aus den USA, Kanada, Afrika… Die kanadischen Kollegen sind eher für unsere Aktion, aus Afrika und Washington und sonst aus den USA kommt: Weißer Fleck sei zu viel, so was sollte man sich für wirkliche große Einflussnahme aufbewahren, s.u. , eine Professorin aus Iowa meint, wir hätten gar nichts machen sollen, „no press, no career“… , aber Ed Wasserman aus den USA sagt: Wir hätten die Leser bestraft durch Nichtzeigen des Fotos…

 

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Meine Meinung als Leserbotschafter und Ombudsmann des Hamburger Abendblattes dazu ist glasklar: Mag man auch einwenden, dass es nur eine Einflussnahme in einem Sektor sei, der außerhalb der politischen Sphäre liegt: Es ist ein klarer Angriff auf die Pressefreiheit, ob nun klein oder von Gewicht, den man sich als Medium jedenfalls nicht gefallen lassen darf. Die Pressefreiheit ist für unsere Demokratie „schlechthin konstituierend“, wie es das Bundesverfassungsgericht einmal in einem Leitsatz formuliert hat – da bin ich ganz bei den Richtern! Mit welchen Mitteln man dann in diesem Fall letztlich als Medium reagiert – ob man zum Beispiel statt eines Fotos nur eine weiße Fläche zeigt oder vielleicht ein anderes Foto druckt und dazu eine Anmerkung des Chefredakteurs oder eines leitenden Redakteurs zu dem Vorgang dazustellt – ist dann eine Detailfrage.

Fest steht: Wenn man hier nicht Flagge zeigen würde als Zeitung, hieße das, dass ein Damm brechen könnte. Demnächst würden dann evt. andere Institutionen oder Multiplikatoren bei Journalisten intervenieren und die Presse müsste sich dann vorschreiben lassen, was sie darf und was nicht – das ist mit Artikel 5 des Grundgesetzes nicht vereinbar und wäre auch letztlich für die Leser nicht von Nutzen. Bei Interviews wird beispielsweise auch nicht verlangt, dass hinterher Tonaufzeichnungen, die der Journalist evtl. gemacht hat, gelöscht werden müssten – das wäre unvorstellbar!

Die erste Kultur-Seite des Abendblatts, die alles ins Rollen brachte, sah so aus: Wo ein Foto von Cecilia Bartoli hätte stehen können, stand die Erklärung: „An dieser Stelle hätten wir gern ein Konzertfoto der Sängerin gezeigt. Doch das Schweizer Management stellte unannehmbare Bedingungen: Fotos in der Pause zur Auswahl vorlegen, die nicht genehmen löschen lassen? Darauf haben wir uns nicht eingelassen.“

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Wir haben die Story noch mal nachgedreht, eine Themaseite gemacht, ein Streitgespräch: Scharfe Kritik kam vom Veranstalter, der Konzertdirektion Dr. Rudolf Goette. Deren Geschäftsführer Christian Kuhnt war im Streitgespräch mit Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider.

Auf der Facebook-Seite des Abendblattes habe ich das Thema gepostet – Die Reaktion auf die weiße Fotofläche im Konzertbericht über Cecilia Bartoli war auf der Abendblatt-Hauptseite bei Facebook überwältigend: Mehr als 28.000 „Views“, so viele Leser erreichte die Story dort in kurzer Zeit, mehr als 100 von ihnen kommentierten bis Montagnachmittag den Vorgang, mehr als 600 klickten auf den „Gefällt mir“-Button. Inzwischen sind es 34.000 Views.

Die überwiegende Zahl der Leser unterstützt die Abendblatt-Entscheidung, kein Foto von Cecilia Bartoli zu drucken – die Diskussion darüber hält auch nach mehreren Tagen noch an. Eine Dokumentation in Auszügen:

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„Ich finde das sehr richtig, da das Verhalten des Managements meiner Meinung nach einen Verstoß gegen die Pressefreiheit darstellt!“, postet Maximilian H.
„Prima! Jetzt müsst ihr diese Linie aber bitte mit allen anderen Promis und Politikern durchziehen“, schreibt Peter P.
„Danke. Der nächste Schritt wäre dann wohl, dass man beim Betreten eines Konzertsaals die Augen verbunden bekommt, wenn alternde Künstler ihr Spiegelbild nicht mehr mögen“, meint Michi R.
„Ich glaube, viele Künstler wissen gar nicht, was ihr wichtigtuerisches Management so treibt. Insofern ist der Ansatz gut“, kommentiert Kay Z. „Das zielt in gewisser Weise aber auch auf die ganze Problematik der Künstlerfotos und -fotografen, unter der auch viele Theater und Agenturen zu leiden haben, weil sie manchmal gar nicht mehr wissen, was sie überhaupt noch veröffentlichen dürfen und ob man die Vertragsstrafen dann bezahlen kann und will …“
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Arnold O.-L. schreibt: „Eine gute Entscheidung der Redaktion. Vielleicht merken die verantwortlichen Herrschaften endlich mal, wie wichtig die Printmedien für ihre Popularität sind. Denkt mal nach!“ Oder: „Glückwunsch. Ihr habt einen Arsch in der Hose“, formuliert Tim F. Und Andreas D. lobt: „Sehr gut! Da traut sich endlich jemand was!!!! Seit wann müssen Pressefotos genehmigt werden? Ein Grund, die Zeitung zu kaufen. Weiter so!“ Jörg Sch. meint: „Auch wenn ich die Sängerin sehr mag, die Aktion ist aber sehr stark! Gut gemacht!“
Wanda K. kommentiert differenziert: „Hhm, einerseits möchte ich auch nicht in unvorteilhafter Pose in die Zeitung, andererseits bin ich ja auch keine Person des öffentlichen Lebens, die mit solchen Auftritten ihr Geld verdient. Also: Die Presse muss frei und unabhängig sein und bleiben!“ Weitere Reaktionen lauten:“Richtig so“, „ich hätte den ganzen Artikel weggelassen“, „super. So soll es sein“ oder: „Das Verhalten des Managements ist im höchsten Maße unprofessionell“, „sehr gut, bitte in Zukunft bei ähnlichen Fällen genauso reagieren!“ Und weiter: „Das Management sollte sich da mal überlegen, was es falsch gemacht hat.“
Es gibt vereinzelt auch kritische Stimmen, zum Beispiel Alice F. Sie postet auf Facebook: „“Ausgerechnet Cecilia Bartoli, ein Ausnahmetalent und wundervolle Frau! Ich finde es völlig in Ordnung, dass sie bzw. ihr Management bestimmen kann, welche Bilder von ihr in den Medien erscheinen. Sie wird auch älter und ist nicht mehr so fotogen, wie sie einmal war. Wer möchte denn, dass Tausende Menschen schlechte Fotos von einem anschauen müssen?“
Ähnlich kommentiert eine andere Leserin: „… In der Öffentlichkeit zu stehen ist sicher nicht immer leicht, und da tauchen bestimmt Fotos auf, die uns allen unangenehm wären, wir wollen ja auch Fotos gelöscht haben, die uns (vor allem sicher Frauen) nicht in den Kram passen. Frau Bartoli, zu Recht eine Diva – ich verstehe Sie!“ André A. formuliert seine Kritik kurz und knapp: „Effekthascherisch. Überflüssig. Das hätte man auch anders lösen können.“
Zum Steitgespräch postet ein Leser auf Facebook: „Großartig! Danke für die Dokumentation der Motive hinter der untragbaren Behandlung von Fotografen durch viele Konzertagenturen/Künstler. Was der Herr Kuhnt da äußert entblößt ein verstörendes Verständnis von Pressefreiheit.“

 

Feedback aus aller Welt dazu:

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Hier das feedback aus aller Welt von den Ombudskollegen des Weltverbandes ONO: Die kanadischen Kollegen sind eher für unsere Aktion, aus Afrika und Washington und sonst aus den USA kommt: Weißer Fleck sei zu viel, so was sollte man sich für wirkliche große Einflussnahme aufbewahren, s.u. , eine Professorin aus Iowa meint, wir hätten gar nichts machen, no press, no career… , aber Ed Wassermann aus den USA sagt: Wir hätten die Leser bestraft durch Nichtzeigen des Fotos….

Below is a note from Ralf (ralf.nehmzow@abendblatt.de) on an issue for Hamburger Abendblatt involving conditions for photography of Cecelia Bartoli.
Please weigh in with comments for Ralf.
I am sure there are some clear points of view here.
Cheers,
Kirk LaPointe,
Executive Director,
ONO.

Ralf Nehmzow writes:

„Hamburger Abendblatt published a story regarding a performance of Cecilia Bartoli in Hamburg. However we did not print a photo of her, instead showed and printed empty space… see enclosed, the article. The reason: Her management wanted to see the photos before printing and the right to choose and to decide, which one should be published! They also insisted in their right to delete thosephotos, taken by our photographer, which they considered as not appropriate, How do you comment on that issue? Correct or assault on the freedom of the press ? Most of our readers, especially on Facebook appreciated the approach of Hamburger Abendblatt“

1.

„Hi Ralf,

My point of view is very simple : no way ! And no media should accept such conditions.

Pierre“

Pierre Tourangeau
Ombudsman des Services français
Blogue et révisions sur http://blogues.radio-canada.ca/ombudsman/

2. „I have no doubt either. It is censorship and completely unacceptable.
And I think you were right to let your readers know that was why there was no photo.
Esther“

Esther Enkin
CBC Ombudsman
ombudsman@cbc.ca
http://www.ombudsman.cbc.radio-canada.ca/en/

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3. „I agree. Not even close.

Michael Getler“ And: „I would add one more thing to Ed’s good point. By not running the photo shot by your staffer, you undermine the photo staff of your own paper which is, or should be, a serious mistake for management.“
Michael Getler, american journalist and ombudsman for the Public Broadcasting Service PBS in the United States

4. „My only slightly dissenting comment is that publishing white space where a picture was intended to be might be a little over the top. The point could have been made with an editor’s note. It seems to me that this is like using a cannon to kill a fly; the big guns should be held in reserve for the big issues–e.g. a government refusing to allow a picture to run that shows the President in ill health.“

Karen Rothmyer, former public editor at the Kenya Star


5. „I’m with Karen on this point. An editor’s note next to the story would be sufficient. “

Patrick Pexton, former Washington Post ombudsman

Ralf Nehmzow : „Thanks, interesting point, Patrick Pexton, but you also could argue: fight from the beginning… to prevent more“

Patrick Pexton: „True, but she is an artist, not a politician, who are more accountable to the people’s trust. “

6. „If everyone passed, starting with your publication, on doing a story on her at all, this might change the PR’s behavior. No press, no career, true?

There are other people to write about aren’t there? Why all the hand wringing, and worse, kowtowing? Just saying…“

Rhonda Roland Shearer
director, Art Science Research Laboratory
editor-in-chief, publisher, iMediaEthics
adjunct lecturer, School of Journalism and Mass Communication, University of Iowa

7. „The manager’s wishes were, of course, ridiculous. I think I would have been in favor of publishing whichever photos seemed appropriate to the review. The white space punished the readers by denying them images of a great singer in performance and diminishing the satisfaction they would otherwise have gotten from reading about the concert.“

And he adds: „,Punish´ was perhaps too strong a term. But the irony of the publication’s defiance (which was the correct response, in my view) was that it took the form of withholding the photographs from public view and, in effect, allowing the singer’s management to censor them. I’m wondering whether, under German law, they had any legal basis to insist on a right to approve which images would be used. Otherwise the demand is baffling.“

Edward Wasserman, an authority on the ethics, evolution and ownership of the news media, became dean of the Graduate School of Journalism at UC Berkeley

Dear Edward, interesting point, yes we punished the readers in a sence, but only regarding the white foto Space, we did publish a story on her concert
Ralf Nehmzow

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