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Das „Wesen Leser“: Wie tickt er?

 

Wer ist eigentlich das „Wesen Leser?“  Täglich lerne ich neue kennen, bin mit ihnen im Dialog, auf allen Plattformen. Die spannende Frage wird immer bleiben, wie sich sein Leseverhalten in den kommenden Jahren entwickelt. Um so mehr muss man mit ihm stärker im Dialog sein, darf  ihn nicht vernachlässigen. Hier ein paar Einblicke in die Leserschaft des Hamburger Abendblattes, und ein paar Zahlen und Fakten dazu, was sie gerne mögen, wie sie leben, welches Leseverhalten sie haben.

Massimo Rodari

Zum Frühstück isst Karlheinz Kohls, 73, Brötchen und trinkt Kaffee. Dabei liest er das Hamburger Abendblatt, jeden Tag.

Seit mehr als 50 Jahren. Warum? „Ich liebe Hamburg und Umgebung und möchte wissen, was es Neues gibt.“ Die Lektüre des Hamburger Abendblattes ist für den Innenarchitekten im Ruhestand ein Ritual, seit den 1950er-Jahren, als er mit seinen Eltern von Berlin nach Hamburg zog. Jeden Tag kauft er sich die neueste Ausgabe am Kiosk, geht in ein Café und liest. Eine Stunde, „Seite für Seite, von der Titelseite bis zum Impressum“, sagt er. Seine Themen-Schwerpunkte: „Politik, Thema-Seite, Wirtschaft, alle Bau- und Stadtentwicklungsthemen, bis zu den Todesanzeigen.“

 

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Das Hamburger Abendblatt, als sein Begleiter, sein Freund, immer wieder sei es auch eine Entdeckungsreise – „das Bild passt schon“, sagt er. Dass er dabei die gedruckte Ausgabe der Online-Version vorzieht, verwundert nicht. „Mein Vater war Buchhändler, mit Lesen von Büchern bin ich groß geworden.“ Das Rascheln, das Gefühl, Seiten durchzublättern, das sei einmalig, sagt Karlheinz Kohls. Was ihm am Abendblatt besonders gefällt? „Es ist gewissermaßen ein Spiegelbild der Stadt, es vermittelt ein Lebensgefühl, mit allen Schatten- und Sonnenseiten“, sagt er. Auch menschliche Schicksale, Hintergrundgeschichten, begeisterten ihn. Zum Beispiel einst der unrühmliche wie schillernde Abgang von Hamburgs damaligen Innensenator Roland Schill, die legendäre Pressekonferenz mit Ole von Beust, das erinnere er noch genau, „es faszinieren mich die kleinen und großen Dramen der Stadt.“

Karlheinz Kohls, zu Hause in Harvestehude, ist einer von mehr als einer halben Million Lesern, die allein die gedruckte Ausgabe täglich hat. Wer sind die typischen Abendblatt-Leser? Wenn die Zeitung ein Gesicht hätte, wie sehe es aus?

Das weiß kaum einer besser als Dr. Hans-Dieter Schneekloth von der Marktforschungs-Abteilung, seit 21 Jahren mit dem Abendblatt und seinen Lesern vertraut. Zusammen mit Meinungsforschungs-Instituten hat er die Leser in Umfragen und persönlichen Gesprächen ausführlich analysiert.

 

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„Die Leserschaft kommt zu 63 Prozent aus dem Stadtstaat Hamburg, zu 27 Prozent aus den umliegenden Landkreisen. Sie setzt sich zu ungefähr je 50 Prozent aus Frauen und Männern zusammen. Bemerkenswert ist deren Bildungs- und Einkommensniveau, das deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegt“, sagt er zusammenfassend. 47 Prozent der Leser haben Abitur bzw. ein Studium absolviert und 57 Prozent sind berufstätig. Eine weitere Erkenntnis: Das steigende Alter der Bevölkerung wirkt sich natürlich auch auf den typischen Leser der Print-Ausgabe aus. Dieser ist zwischen 40 und 65 Jahre alt und verfügt über ein monatliches Netto-Einkommen zwischen 2000 und 4000 Euro.

Natürlich greift der Durchschnittsleser mehrfach am Tag zu seinem Abendblatt, meist liest er es am Morgen beim Frühstück und dann wieder am Abend. In der Regel befasst sich der Leser eine knappe dreiviertel Stunde mit der Zeitung.

Was zeichnet die Abendblatt-Leser neben ihrem überdurchschnittlichen Bildungs- und Einkommensniveau noch aus?

58 Prozent der Leser sind verheiratet und leben zumeist im eigenen Haus bzw. in einer Eigentumswohnung. Leser-Forscher Schneekloth: „Die Abendblatt-Leser sind extrem reisefreudig; zwei Drittel von ihnen haben in den vergangenen zwölf Monate eine längere Reise unternommen.“ Zudem interessieren sich die Leser stark für kulturelle Themen und das Freizeitangebot der Stadt.

Auch diejenigen Leser, die das Hamburger Abendblatt im Internet nutzen, kann Dr. Schneekloth beschreiben: „Dieses Angebot nutzen eindeutig mehr Männer. Der Altersschwerpunkt liegt hier zwischen 25 und 50 Jahren“, analysiert er. „Man sieht schon auf den ersten Blick: Die Online-Leser beim Abendblatt sind also deutlich jünger als unsere Print-Leser.

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Daher kann es nicht verwundern, dass viele unserer Online-Leser noch ledig und in der Schulausbildung sind. Zwangsläufig fällt bei ihnen der Anteil von Abiturienten niedriger aus und auch die Einkommenssituation ist noch nicht so komfortabel. Da die Onliner zum großen Teil noch zu Hause wohnen sind größere Haushalte sind hier häufiger vertreten als bei den Printnutzern, für die der Zwei-Personen-Haushalt typisch ist.“ Interessant auch: 76 Prozent der Abendblatt-Lesergemeinde haben im Haushalt Zugang zum Internet, zum Vergleich: Im Bundesdurchschnitt sind es in Deutschland nur 70 Prozent der Bürger, die zu Hause online gehen können.

Die jüngere Generation:

Statistik hin, Zahlenwerk her: Jung, aber eher klassisch, traditionell, was das Leseverhalten betrifft, ist Sarah Stern. Die 17-Jährige gehört zu den jüngsten Abendblatt-Lesern und Jung-Abonnenten.

Täglich liest sie das Blatt, seit einem Jahr meist so eine halbe Stunde, sagt sie. Sie macht nächstes Jahr in Ahrensburg Abitur. Ihre Eltern haben ihr ein Abendblatt-Abonnement geschenkt. Sie haben ihr immer schon das Zeitungslesen vorgelebt, wie sie formuliert. Zeitungslesen sei nützlich für die Bildung, haben sie ihr gesagt. Und sie hat es jetzt verstanden. „Mittlerweile lese ich das Hamburger Abendblatt wirklich gerne, ich bekomme viele nützliche Informationen für die Schule und für die Freizeit.“ Sie lese es meist nach der Schule „von vorne nach hinten“, vor allem Informationen über Wirtschaft und Politik. Und: Sie bevorzugt die gedruckte Ausgabe, „da steht mehr drin als online, und es bedeutet auch Entspannung, eine Zeitung in der Hand zu haben und durchzublättern bei einem Kaffee“, sagt die Gymnasiastin. Da sei sie wohl nicht typisch für ihr Generation, die gemeinhin im Ruf steht, eher auf Smartphones und Internet bei der Informationsbeschaffung zu setzen.

Auch Leser Kohls liebt das gedruckte Papier bei seiner Zeitung. Ihm ist auch noch etwas anderes „heilig“: Niemand dürfe seine Abendblatt-Ausgabe durcheinander bringen. Er lächelt. „Ich liebe die Ordnung, und wenn ein Teil meiner Zeitung in Unordnung gerät, gar zerknittert ist, kann mich das aufregen“, sagt er – „es beeinträchtigt mein Lesevergnügen.“ Und wenn ihn etwas störe, dann das.